Text ohne Titel

Es kommt häufiger als erwünscht vor, man hält nur ein kleines Bruchstück einer vielversprechenden Idee in der Hand. Nur zwei Pinselstriche eines Bildes. Den Anfang eines Gedichtes oder bloß eine Stimme einer wunderbaren Harmonie. Doch es geht nicht weiter. Man findet den Anschluß nicht. Und so läßt man das wertvolle Gedankengut den Fluß der unvollendeten Dinge hinuntertreiben. Tieftraurig die eigene Kreation so zu verschwenden. Möglicherweise wäre uns später noch etwas dazu eingefallen? Doch schon wird die Erinnerung an den Einfall schwächer. Verblaßt das möglicherweise geniale Produkt unserer Vorstellungskraft. Wenn man doch die Energie gehabt hätte es weiterzuspinnen. Neue Eindrücke verdrängen letzlich auch dieses Bedauern. Für immer vergessen die nobelpreisverdächtigen Eingebungen, die nur einen kleinen Vorgeschmack boten auf das, was aus ihnen hätte entstehen können. Problematisch ist es auch zu bestimmen, wann etwas fertig ist. Falls die Musen uns nicht verließen, kommt man unweigerlich an den Punkt, wo dies entschieden werden muss. Wieder und wieder wühlt man sich durchs eigene Werk. Wurde ein und derselbe Begriff zu oft verwandt. Ist dieser Satz auch beim ersten Mal lesen schlüßig? Ich vermute, vor diesem Dilemma stehen alle Kulturschaffenden. So hießen die in der DDR. Eine schöne Strategie mit Fertigstellungspsychosen umzugehen hat die von mir hochverehrte Kapelle The Orb gefunden. Auf die Interviewfrage, wann denn nun ein Track ihrer Meinung nach veröffentlichungswürdig ist, gab es die Antwort: „Wenn unsere Freunde das sagen.“ Chapeau!

Es folgt ein Themenwechsel.

Mit großer Verwunderung bestaune ich seit Langem Menschen in kaltem und nassem Wetter. Zusammengekniffene Augen zwischen hochgezogenen Schultern huschen dann durch die Straßen. Es wird versucht den vermeintlich widrigen Umständen zu trotzen. Wie kleine Kinder die ihren Lebertran angrollen. Sie beklagen sich bei der Allgemeinheit über das Sauwetter. Wie langweilig. Meine Wenigkeit spaziert voller Freude in die stürmischen Böen, breitet die Arme aus und genießt auch diese meterologische Konstellation. Mag mir der Wind doch den Hut vom Kopf wehen. Dann kauf‘ ich mir eben einen neuen! Sollen die Schauer doch meine Kleidung durchnässen. Ich häng‘ sie zu Hause einfach auf die Wäscheleine. Anschließend kuschele ich mich in eine Decke, nippe vom Pfefferminztee und freu‘ mich wie ein kleiner Junge. Denn wenn ich dereinst im Altersheim in frische, duftende Laken gehüllt aus dem Fenster schaue, möchte ich mich daran als etwas Schönes erinnern. Mit Händen in den Taschen am Ententeich stehen zu dürfen und sich die Haare vom Sturm durcheinander wirbeln zu lassen, empfinde ich als Bereicherung. Wer läßt sich denn von Temperaturen um den Gefrierpunkt und Nieselregen vor ein Kaminimitat treiben? Doch nur Beschwerdeführer in puncto Selfietauglichkeit der Lichtverhältnisse und Menschen die von Autotür zu Wohnungstür hechten. Auf die brillante Idee mal ein Fotoalbum zu erstellen in dem alle durchgefroren und zerzaust in die Kamera funkeln, kommen sie nicht! (ts)