Wunder am Mittwoch

Ich muss euch vom letzten Mittwoch berichten! Beim Aufstehen sprang ich nicht wie gewöhnlich auf die Füße, sondern ganz selbstverständlich und überraschend auch für mich, auf meine Hände. Im Handstand gings zum Bäcker, vorbei an Menschen, die korrekt im Leben stehen. Verständnislose Blicke allenthalben. An der Theke ein vollendeter Salto in das, was als normal sonst gilt, um den Genuss des heißgeliebten Kaffees zu ermöglichen. Zurück nach Hause, die Brötchentüte zirkusreif jonglierend, natürlich wieder andersrum. Für alle zum Verständnis. Es war keine besondere Kraftanstrengung für diese Übung nötig. So wie Komapatienten nach Monaten erwachen und plötzlich eine fremde Sprache sprechen, so war für vierundzwanzig Stunden mein Standgerät die Hand. Als hätte mich eine unsichtbare Macht, einer Sanduhr gleich, gewendet. Der Weg auf Arbeit gesäumt von Menschen die versuchen die Situation zu erfassen. Ein Akrobat bei einer Gratisvorstellung? Doch warum bleibt er nicht an einem Ort und strebt in andere Gefilde? Die meisten bleiben ratlos aber amüsiert zurück. Beim Abendbrot werden sie der Familie von einem Verrückten berichten. Ich jedoch musste, vorbei an Werbewänden, die endlich Sinn ergaben, weiter ins Büro. Die Treppen hochgesprungen, hinauf in Level drei. Linkes sowie auch rechtes Knie auf neunzig Grad, sodann mit einem Ruck gestreckt als Schwunggewicht. Am Schreibtisch saß ich dann ganz brav wie eh und je, die Tastatur mit Händen stillend. Sie verlangt schließlich danach, dass schnelle Finger sie bespielen. Ich dacht‘, den Wunsch erfüll‘ ich ihr doch gern. Nach einer Weile ging‘ s auf in die Küche, der Kaffeedurst erforderte Baristatätigkeit. Auch mit den Füßen lassen Maschinen sich bedienen, verfügt man über entsprechendes Geschick. Den Kollegen erklärte ich die umgekehrte Position mit einer verloren gegangenen Wette. Der Weg nach Hause dann schon ziemlich routiniert, mit modernen Barfußschuhen fröhlich den Passanten winkend. Ich ging ins Bad, auf’s Sofa dann ins Bettchen. Gekuschelt in viertausend Kissen dacht‘ ich dann noch, was für ein wunderschöner Tag. Feixte in mich hinein, schloss meine Augen und entschlummerte sanft ins Land der Träumer. (ts)