Vom Drehen und Wenden

Neigen wir nicht alle dazu, Dinge nur von einer Seite zu betrachten? So wie unsere Sonne im Bild nur einen Teil des Hauses bescheint? Und geben wir nicht auch immer nur ein Gesicht von uns zum Begutachten für Andere frei? Objekte und Subjekte werden zumeist eindimensional bestaunt. Die Menschen geben selten mehr als eine Facette von sich preis. Haben lediglich eine Ansicht zu einer Thematik. Und sie dürfen solche auf keinen Fall ändern! Trägt man ein und dieselbe Cordhose den ganzen Winter – auch wenn sie einem angemessenen Reinigungszyklus unterliegt, kommen mürrische Bewertungen. Trägt man eine Meinung das ganze Leben, heißt es man sei gefestigt. Was für ein Quark. Ich habe irgendwann irgendwo mal gelesen, ein intelligenter Mensch ändere seine Meinung. Das finde ich nachvollziehbar und wünschenswert. Das Selbe gilt für Prinzipien. An die halte ich mich nur so lange sie mir in den Kram passen. Einstein hat mal den schönen Satz gesagt: „Ich habe starke Prinzipien bin aber dazu bereit jederzeit mit ihnen zu brechen, sollte es sich als notwendig erweisen.“ Für diese wissenschaftliche Aussage bewundere ich ihn mehr als für seine Relativitätstheorie. Konsequente Prinzipienreiter die ständig die Kleidung wechseln sind mir ein Graus. Ich bevorzuge die Gesellschaft von inkonsequenten Zeitgenossen, die fähig sind ihre persönliche Einstellung zu Sachverhalten an schwankende Variablen anzupassen. Unerträglich diese Talkshows die einander jagen und in denen die Abgeordneten ihre Weltanschauungen aufsagen. Eigentlich würde es genügen, sie hielten kurz ein Plakat hoch, auf dem in zwei Worten ihre Position vermerkt ist. Kameraschwenk auf den Nächsten, Ende der Sendung, vielen Dank für die Analyse, wir schalten zurück nach Mainz. Bezugnehmend darauf habe ich mal ein paar befreundete Kohlenstoffeinheiten gefragt, welche Eigenschaft sie sympathischer finden, Inkonsequenz oder Konsequenz. So ganz generell. Die meisten antworteten wie aus der Pistole geschossen: „Inkonsequenz!“ Das finde ich sehr beachtlich. Vielleicht habe ich mich aber auch schon unterbewußt nur mit Lebewesen umgeben, die das so empfinden. Ich werde mich mal auf eine Sitzung des CDU-Kreisvorstandes schleichen und diesbezüglich Nachforschungen anstellen. Man möge mir Vorurteile in puncto der zu erwartenden Bescheide nachsehen. (ts)