Paprika und Ikarus

In der Packungsbeilage der Erde findet sich folgende Textstelle. Sind Ihnen die Geschicke des Planeten gleichgültig, gilt es Begrenzungen den eigenen Tabakkonsum betreffend abzuschaffen. Die Ernährung sollte unverzüglich auf Tiefkühlpizza und Fanta (Kapitulation zum ins Glas gießen) umgestellt werden. Außerdem muss der ortsansäßige Heiler umgehend vom Hof gejagt werden. Es geht um stringente Ignoranz, die professionelle Schwester des Wegsehens. Ich bin ziemlich sicher, gewisse Biotope halten sich sogar bereits an diese Empfehlungen. Wie man darauf kommt, zu verlangen aus der EU auszutreten ist mir schleierhaft. Hier herrscht offenbar ein eklatanter Mangel an der Fähigkeit für zehn Sekunden das Gehirn einzuschalten. Jede Nation braucht befreundete Regionen, sonst steht sie irgendwann allein auf dem Schulhof und schmiedet Rachepläne. Tränen des Glücks rinnen meine Wangen hinab, verfolge ich eine Debatte des Europäischen Parlaments. Im Ostblock damals hieß sein Pendant übrigens Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Ein recht hübscher Name. In der Praxis bedeutete das, die Tschechen produzierten Straßenbahnen und Fernsehserien, die Ostrentner in spe Mähdrescher und Märchenfilme, die Ungarn Paprika und den Ikarus – ein wahrlich großartiger Name für einen Bus. Ich frage mich, hatten die Fahrzeuge einen geheimen Modus, der es ihnen ermöglichte in besonderen Verkehrssituationen abzuheben und steil in Richtung Sonne zu streben? Das wäre natürlich fantastisch! Die Sowjetunion schließlich verteilte Panzer und Soldaten. Nicht erwähnte Ländereien fungierten als Urlaubsziele. Eigentlich auch nicht viel anders als fünfzig Jahre später. Slawische Völker und Ostgermanen hatten sich auf eine gemeinsame Sicht der Dinge geeinigt. Das mag in diesem Maßstab sinnvoll erscheinen. Übersetzt auf Bäckereien halte ich es für unschön. Da bewegen wir uns leider rückwärts. Weg vom Schrippenmeister, hin zur Fabriksemmel. Bald gibt es nur noch einen einzigen Laden für Käsekuchen. VEB Le CroBag. Kaum zu glauben, aber es handelt sich um eine deutsche Firma. Der Name entstand aus den zusammengesetzten Anfangssilben von Croissant und Baguette. Eine schreckliche Verballhornung der französischen Sprache also. Ich sehe die Namensfindungskommission vor mir sitzen. Der Abteilungsleiter, das Charisma eines Nudeleintopfs versprühend: „Leute, wir brauchen etwas, das nach weiter Welt und Paris klingt!“ Die Kreativchefin mit dem Einfallsreichtum einer Beamtin kurz vor der Pensionierung: „Wie wäre es mit Le Crobag?“. Begeisterung, Konfettiregen. Die Masche alles zu bündeln um, die Wortwahl ist nur noch schwer zu ertragen, Synergien zu nutzen, ist in vielen Lebensbereichen anzutreffen. Bei Manchem ist das ärgerlich bei anderen Dingen wiederum wäre es zu begrüßen. Ich fände die Zusammenlegung sämtlicher Straßen anstrebenswert. Es gäbe dann nur noch den Nürburgring. Ein bisschen größer als jetzt, aber weit genug weg um mir nicht auf die Nerven zu gehen. Abschlußthemenwechsel. Mein buchstäbliches Gedächtnis, nicht zu verwechseln mit dem fotografischen, wollte noch etwas zum bevorstehenden Sommereinbruch, dem sympathischen Gegenspieler des Wintereinbruchs, denken. Häufig finden Ideen aber keinen Halt im neuronalen Elektrogewitter. Ähnlich erging es der Frage, ob es Menschen gibt, die weibliche Gesichter nicht unterscheiden können. Man hört ja immer wieder von Personen, die behaupten keinen Speicherbereich für das Antlitz als Solches zu besitzen. Eine einschränkende Rubrik wäre also zumindest vorstellbar. Aber es ist wohl an der Zeit die Feder zurück ins Tintenfässchen zu stecken und die Niederlage zu akzeptieren. (ts)