Augenblicke

Von Zeit zu Zeit passiert es. Man schaut unvermittelt in die Augen fremder Menschen, die just in diesem Moment auch uns ansehen. So wie sich manchmal unverhofft alltägliche Klänge zu Harmonien verbinden. Gemeint ist nicht der Blick in die belehrenden Augen des Polizisten, der uns mal wieder beim Überradeln einer roten Ampel erwischt. Gemeint ist auch nicht der Blick der beneidenswerten Verkäuferin in Karls Erdbeerhäuschen. Nein, ich meine die zufälligen Blicke, die uns ein bisschen ratlos zurücklassen. Die interessante Frau in der U-Bahn, durch den Blickkontakt ganz plötzlich eine persönliche Ebene. Ist das Schicksal? Sind wir füreinander bestimmt? Doch schon ist das Feuer erloschen und die Augen schweifen höflich ab. Schauen in eine andere Richtung. Die idealisierte Erinnerung bleibt und setzt sich für ein paar Minuten fest. Der Blick des alleinerziehenden Vaters, dem man dabei geholfen hat, den gefüllten Kinderwagen die Treppen zur S-Bahn hochzutragen. Plötzliches Verstehen. Die Blicke in Augen von Menschen, die man glaubt zu kennen. Unsicherheit. Vergleichbar mit der Unsicherheit, die uns befällt, wenn wir verschüttete Malerfarbe vor uns auf dem Gehweg sehen. (ts)