Blutspenden in Germany … und anderswo (1)

„Sie haben heute nicht genug getrunken“ sagte der Arzt vor ungefähr 13 Jahren in Niedersachsen tadelnd zu mir, und hatte so mein „Doch!“ schon provoziert, bevor ich überhaupt in der Lage war nachzudenken, ob seine Feststellung vielleicht zutraf.
Das haben sie gemeinsam, all diese Teams des Blutspendedienstes. Das umsorgende, meist warmbusige, keine Widerrede duldende. Es wirkt immer. Für das Gemeinwohl und etwas Fürsorge lassen die Menschen gerne etwas Blut zurück. Aber: Auch das Brötchen danach muss gut sein.

Schon früh hat meine Mutter mich mitgenommen. Ich durfte Ende der 1970er zugucken und staunte, wie die dunkelroten Blutbeutel andächtig und leise hin und her schaukelten. Und am Ende gab es Cola und Gummibrötchen mit Gehacktem, wahlweise auch mit Käse oder gekochtem Schinken. Ich war ein bodenständiges, rotwangiges Kind und wählte das rohe Gehackte.
Die gute Seele von damals, Frau B., schwebte in ihrer Tracht durch die Räume, hatte ein herzliches Wort für Jede und Jeden und erntete viele freundliche Gesichter. Im Teenageralter dann erlebte ich sie als zerstreute Lehrerin, die es nicht schaffte, sich durchzusetzen. Es war mir unverständlich, dass beide Personen eine und dieselbe sein sollten.
Sobald ich durfte, wurde auch ich zur Blutspenderin.
Weil ich oft umgezogen bin, habe ich nicht nur in verschiedenen Bundesländern, sondern auch in verschiedenen Ländern Blut gespendet.

In Paris habe ich 1988 gelernt, dass „Essen wie Gott in Frankreich“ nicht für das Rote Kreuz gilt bzw. galt. Es gab erstaunlicherweise weder etwas zu trinken noch etwas zu essen, um den in der mobilen Spendenstation entstandenen Blutverlust auszugleichen.

In Wien am Stephansdom stieg ich im Jahr 1995 spontan in einen Blutspendebus. Es war Winter und in keiner anderen Stadt hatte ich bisher so unendlich viele pelztragende Menschen gesehen. Nicht nur die Welt draußen, sondern auch mein Wohnheimzimmer war kalt.
Ich war froh, im Warmen zu sitzen und durch die umsorgenden Arme des medizinischen Personals gereicht zu werden. Zur Cola danach gab es traditionsbewusst die aus Österreich stammenden Manner Waffeln.

Auch in Berlin stieg ich in den 1990ern einmal in einen Blutspendebus, er stand weniger spektakulär an den Neukölln Arkaden, ich dachte mir noch, wie viel Prozent der Spenden von hier wohl überhaupt weiterverwendet werden würden und schlug mir sofort auf die Finger ob meiner Vorurteile (ich lebte damals noch auf dem Land). Auf der Bahre liegend beschlich mich dann das Gefühl, dass ich vielleicht gleich einschlafen würde und später dann mit den einen oder anderen Organ weniger auf einer abgelegenen LPG um Obdach werde bitten müsste. Ich schwitzte und war erleichtert, nach Cola und Snickers dieselbe Straße zu betreten, die ich kurz zuvor verlassen hatte.

In Franken gab es in den späten 1990ern viel Fleisch zu essen, und das ausschließlich. Ich, seit 1988 fleischlos lebend, ging mit Filterkaffe und Cola im Bauch nach Haus. Auch sonst war das DRK dort nicht zimperlich, sie haben mein Blut stets genommen, einmal auch trotz massiven Eisenmangels, was mir klar wurde, als ich es eine Woche später beim Arzt erfuhr.

Die deutschen Bundesländer hatten zumindest im Jahr 2000 noch jeweils eigene Blutspendeausweise – was dazu führte, dass ich, von Bayern her wieder in Niedersachsen gelandet, dort wieder zur Erstspenderin wurde.
Das bedeutete: Eine Schwester, die deutlich kleiner und älter war als ich klebte mir blitzschnell einen Erstspender-Aufkleber auf die Brust und hielt mich fortan an der Hand bzw. in ihrer Armschraube – meine Versicherung, dass ich nur neu im Bundesland sei, jedoch über einige Erfahrung im Aderlass verfüge, konnte sie nicht von ihrer vermeintlichen Pflicht abbringen. Sie begleitete mich von der Anmeldung zur Liege, von der Liege in den Ruhebereich und vom Ruhebereich zum Brötchentisch.
Erst am Brötchentisch war ich in der Lage, mich von dem im Grunde ja gut gemeinten Aufkleber und der Überfürsorge zu befreien.
Erst später begriff ich die kommunikative Chance, die in dem Aufkleber gelegen hatte. Doch anstatt mich strahlend neben einen potentiellen Gesprächspartner zu setzen und mit meinem Bericht den Grundstein zu einer guten Unterhaltung zu legen, zog ich ihn mir peinlich berührt von der Brust, knüllte ihn zusammen und hob den Blick nicht über mein Gummikäsebrötchen hinaus.

Getrunken habe ich dann wie vom Arzt geraten übrigens wirklich noch – eine Flasche Wasser auf der Strafbank im Sportheim. Danach durfte ich dann auch Blut abgeben. Und die Brötchen waren auch o.k. wahlweise Wurst, Fisch oder Käse, selbstgeschmiert natürlich, von den ehrenamtlichen Schwestern.

Nach 2010 hatte ich eine große Lücke beim Blutspenden – eine Tabletteneinnahme verbot es. 2020 schließlich, als in der Pandemie überall die Blutkonserven knapp wurden und es viele Aufrufe gab, wagte ich eine Recherche. Und siehe da, inzwischen war mein Medikament kein Problem mehr.

Es ist eines der am häufigsten verordneten Medikamente. 2022 stand Levothyroxin auf Platz zwei aller überhaupt verschriebenen Medikamente.

Entweder kann der Wirkstoff also inzwischen aus dem Blut gefiltert werden. Oder weil so viele Menschen – die meisten davon Frauen – es nehmen, wurde entschieden, dieses Blut trotzdem zu nehmen, um nicht auf diese vielen Spenden verzichten zu müssen. Eine ausreichende Antwort auf diese Frage steht für mich noch aus.

Ich durfte also wieder spenden. (aw)

(Fortsetzung folgt)