Geschichten aus Sparta

Zu viele meiner Texte beginnen mit: „Eben beim Bäcker.“ Dieser hier nicht. Der heutige dreht sich unter Anderem um die Götter des Sparens, die Spartaner. Wo ich kann, versuche ich ihnen nachzueifern. Spartanisch verbringe ich die lauen Nächte auf einem weichen Moosbett. Ein Dach aus Schilfrohr, sorgsam selbst errichtet, spendet Schutz bei Niederschlag. Glitzernde Sterne begleiten mich bei meiner Reise durch die Dunkelheit. Tagsüber schleife ich stumpf gewordene Messer auf dörflichen Märkten. Ein kleiner Obolus verschafft mir des mittags ein hölzernes Schüsselchen mit Hirsebrei. Asket im Gleichklang mit den Wundern des Kosmos. So sähe ich mich gern. Die Realität sieht anders aus. Ich gebe mir allerdings in der letzten Zeit große Mühe meine Aufmerksamkeit auf die für gewöhnlich unsichtbaren Dinge zu lenken. So wie damals mein verschrobener WG-Kumpan, der eines Tages ohne Vorwarnung mein Zimmer betrat und freudestrahlend verkündete, schau mal, diese Schraube habe ich grade gefunden, ist die nicht toll? Ich nickte ein wenig irritiert. Doch heute ist mir klar, wie kann man so ein Fundstück nicht großartig finden? Ein Meisterwerk des menschlichen Erfindungsgeistes. Vom Neandertaler, der verblüfft ein Stück Erz in den Händen hält, bis zum Mitbewohner, der dieses Kleinod in einer staubigen Ecke findet, war es ein weiter Weg! Das zu erkennen erfordert Einiges an Offenheit. Davon bin ich allerdings nach wie vor meilenweit entfernt. Engstirnigkeit wird mir zwar nur selten attestiert, ausgebreitete Arme sind aber auch nicht gerade mein Markenzeichen. Zumindest, dies berichte ich hocherfeut, das Streben nach Reichtum und Besitz ist nicht mein Naturell. Einen Sparstrumpf lasse ich deswegen auch vermissen. Überhaupt, Banknotenbündel in Fußkleider zu zwängen scheint mir generell eine etwas fragwürdige Methode des Geldhortens zu sein. Ich empfehle dafür den Hotelsafe! Nun aber zum Gewohnten mit starkem Bezug zur Einleitung. Eben beim Bäcker wurde sowohl das Thema Sparen als auch mein bestelltes halbes Brot vom freundlichen Herrn hinter der Theke angeschnitten. Den Aufwand den Laib zu Hause nur bei Bedarf zu zersägen, treibe ich nicht mehr. Diese gefährliche Arbeit wird der Maschine im Geschäft überlassen. Ich fügte meiner Bestellung also: „Bitte die langen Seiten schneiden“ hinzu, denn ich ahnte, er würde gleich fragen: „Die langen oder die kurzen Seiten?“. Normalerweise tut er das, doch diesmal nicht. Er erläuterte, die Frage würde er sich bei mir sparen. Die Antwort sei ihm schließlich bekannt. Zusätzlich hatte ich natürlich noch einen Latte Macchiato ToGo bestellt. Die Frage ob Kuh- oder Hafermilch war durch ausreichendes Vorwissen überflüssig geworden. Er griff auch automatisch zum Reuse Becher. Ich denke dabei jedesmal an Fischfangtechnik. Hinzu kamen noch ein paar weitere Einsparungen, die er alle lächelnd beiseite wischte. Karte oder bar? Frage gespart. Kundenkarte? Unnötiges Auskunftsersuchen. Zwischendurch diskutierten wir noch, ob er denn andere Kunden bei Brotbestellungen mit Schneidewunsch frage, welche der Seiten einzuspannen sei. Das mache er nicht mehr, gab er zurück, derartige Rückfragen würden die Menschen nur verwirren. Vermutlich genau wie der gesamte Sachverhalt die Leser dieser Zeilen. Ich hätte noch, wie ich das etwas zu häufig mache, einwerfen sollen: „Man darf seine Mitmenschen doch nicht unterfordern!“. Was aber genau spart man denn in solchen Fällen überhaupt, frage ich mich? Einen Batzen? Ein paar Scheffel? Gar silberne Taler? „Lebenszeit!“ wird mir dann häufig als Lösung präsentiert. Das ist mir zu pauschal und lasse ich nicht gelten. In meine Lebenszeit sind Gespräche am Backstand einkalkuliert. Ebenso das Warten an irgendwelchen Kassen. Reisezeit? Einkalkuliert! Ein Moment peinlicher Stille bei einem ersten Date? Eingerechnet! Aber nochmal zurück zum güldenen Taler. Es gibt ja diese furchtbare Redewendung, wer den Pfennig nicht ehrt ist des Talers nicht wert. Warum sollte jemand der den Pfennig nicht ehrt, es nicht wert sein einen Taler zu besitzen? Charaktere, die diese Aussage unter Eid wiederholen, tragen Mitschuld am ersten und zweiten Weltkrieg! Hier wird der Kleinkrämerei Vorschub geleistet. Kleinkrämerisch gilt in meiner Vorstellungswelt auch das Sparen. Blicke ich jedoch in meine Vergangenheit, erkenne ich etliche Aktionen, die ich mir hätte sparen können. Den Besuch so mancher Party. Nur die der einen damals nicht, die war prima! Die unverlangten Ratschläge, die ich erteilt habe. Momente voneinander unterscheiden zu können, bei denen man sparen oder auf keinen Fall sparen sollte, gehören zur Hohen Schule des Spartanertums. Ist dies der Augenblick, in dem ich mir Kritik verkneife? Warum habe ich dort mit Lob gespart? Solche Dinge müssen jedesmal in rasantem Tempo entschieden werden. Da passiert es allzu häufig, ich liege falsch. Und schon hat man den Salat. Doch aufgepasst, eine diesbezüglich falsch eingeschlagene Route kann oft noch korrigiert werden! Lob muss nachgereicht und Kritik unter Umständen abgemildert werden. Alles was es dazu braucht, sind die richtigen Wörter geformt zu einem verständlichen Satz. (ts)