Im Nebel

Endlich ist es dunkel. Auch wenn noch nicht Nacht. Nacht wäre schön. Leere Straßen. Geschlossene Geschäfte. Bürgersteige ohne Bürger. Die sind zu Hause. Geflohen ins elektrische Licht. Wie die Motten. Die Konturen der Wolken sind manchmal zu erkennen. Wenn sie schnell den Himmel entlangeilen. Von diesem Anblick kann ich mich dann immer nicht losreißen. Am schönsten wäre es, finge es auch noch an zu schneien. Ein nächtliches und gutmütiges Schneegestöber. Kein Sturm. Jeder Schritt knirscht und hinterlässt Stapfen, die, ein einfallsreicher Sänger stellte dies mal fest, dem Herzen nicht weh tun. Langsam werden sie von frischen Schneeflocken verwischt. Aber es schneit ja noch nicht. Es ist nur dunkel. Nichts gegen den Tag und die Sonne! Ich denke nur wir tun der Dunkelheit ein großes Unrecht an, wenn wir sie leichtfertig verdammen. Ähnlich wäre es, Wärme der Kälte vorzuziehen. Hach, ich hoffe es wird bald kalt. Die armen Menschen am Äquator. Bekommen nie frostigen Wind an die Nase. Ich stehe unglaublich gern im klirrend kalten Winterwald und erkläre der neben mir stehenden Person Sternkonstellationen, die es so nicht gibt. „Schau, dort drüben, die sieben Sterne, ähnlich einem Drachen, den man im Herbst mit Kindern steigen lässt, das ist das Sternbild Voltowexis!“ Warum sollte ich den fantasievollen Teil des Himmelguckens untergegangenen Zivilisationen überlassen? Das Periodensystem der Elemente ist vollständig, aber doch nicht die Benennung der Zutaten des Universums! Es gab mal einen Sommer, den habe ich auf Hiddensee verbracht. Nach einem Gelage wollten meine Begleitung und ich mit dem Fahrrad in unsere Unterkunft zurück. Es war stockdunkel und dazu auch noch dermaßen nebelig, dass ich kaum noch meinen Lenker sah. Mein Gegenüber, ich nenne es mal Sonja, und ich, versuchten durch lautes miteinander Reden Kontakt zu halten. Doch dies misslang gründlich. Orientierungslos stand ich mit einem Mal allein an einer Weggabelung und rief leicht panisch werdend: „Sonja! Hallo? Sonja!?“. Stille Nacht. Doch dann, ganz leise zunächst, näherte sich eine Stimme die meinen Namen rief. Knirschen, diesmal nicht der Schnee, sondern von Reifen auf dem Schotterweg. Der Riesenlichtkegel einer Fahrradlampe deutete sich an. Ich war gerettet! Den Rest des Weges schoben wir unsere Drahtesel. Ein tolles Wort – Drahtesel! Hier in der großen Stadt freue ich mich wenns mal Nebel gibt. Sofort stehe ich wieder in Gedanken mutterseelenallein auf der Insel und genieße das Gefühl des Glücks, das mich einst im Wasserdunst durchströmte. (ts)