Von Ufos und Helden

Als ich unlängst verschwenderisch die leeren Pfandflaschen einfach neben den defekten Leergutautomaten stellte, dachte ich, hoppla, meine Jüngste wird ja bald vierzehn. Dies geriet durch den Umstand ans gedankliche Tageslicht, dass ich gerade Musik hörte, die ich in eben diesem Alter üblicherweise auf dem Plattenteller zum drehen brachte. Beim Verlassen des Empfangsgerätes für ausgetrunkene Glasbehälter wurde ich wegen meiner Hinterlassenschaft mal wieder angeschaut als hätte ich sie nicht alle. Wie reagieren diese Menschen denn, wenn neben ihnen ein Raumschiff landet? Besonders viel Spielraum in puncto Grad des Entsetztseins hätten sie ja nicht mehr. Man sollte schon ein bisschen schauen, welche Stelle auf der Richterskala der Verblüfften und Empörten jeweils angemessen wäre. Das gilt nicht nur für Beobachtungen die dem eigenen Ansatz im Umgang mit Werten widersprechen. Hach, eigentlich wollte ich ja über das Teenagerdasein laut nachdenken. Wie die allermeisten Sechzehnjährigen wohnte ich noch bei meinen Eltern. Ab und zu lud ich Kumpel zum Hören der Top Ten ein, die vorher mit dem damals unverzichtbaren Radiokassettenrekorder in nervenaufreibenden Aufnahmesessions konserviert wurden. Einmal brachte einer seine Freundin und deren Schwester mit. Man wollte mich verkuppeln. Ich war aber noch zu jung und die Avancen eher unangenehm. So wie schon zwei Jahre zuvor. Da ging ich ein letztes Mal ins Ferienlager und hatte dort eines morgens ein Mädchen in Schutz genommen. Es wurde lautstark von anderen dafür verhöhnt, dass ihr Bett die letzte Nacht nicht trocken geblieben war. Die junge Dame war von meinem Heldentum wohl ziemlich beeindruckt und so stand sie zwei Wochen später bei mir vor der Tür. Wir hatten die Adressen ausgetauscht. Gott war ich überfordert. Ich erfand ein zeitnah stattfindendes Schwimmtraining um der Situation zu entkommen. Ein dummer kleiner Junge. Später wurde ich dann Opfer dieses Entwicklungsunterschiedes. Katharina stufte Gleichaltrige als „nicht geeignet für Knutschereien“ ein. Erste Schritte in Richtung Liebelei erfordern einen Lebensvorsprung beim Gegenüber, meinte sie. Sie beachtete mich nicht. Ich fand Katharina aber wahnsinnig toll und hatte mein Leben schon mit ihr verplant. Ein anderes Mal verreiste die Fußballmannschaft mit der ich Kreismeister geworden war, zur Belohnung an die Ostsee. Wir waren in einer Jugendherberge untergebracht. Im Nebenzimmer logierte eine Mädchenklasse. Die einzige Erinnerung, die mir von dieser Reise geblieben ist, ist Birgit und ihre schwarzen Locken. Sie reiste vor mir ab. Ich brachte sie zum Bahnhof und winkte dem Zug, der von einer schnaufenden Dampflok gezogen wurde, hinterher. Ungefähr elf muss ich gewesen sein. Zurück zur Kaufhalle. Auf dem Rückweg nach Hause begegneten mir Charlie, Annegreth und Lohengrin. Besser gesagt, mir kamen drei Menschen entgegen, die ich sofort für eine Verfilmung ihrer Geschichten besetzen würde. Anhänger der Theorie, wir alle schüfen unsere eigene Realität, werden frohlocken. Aber ich weiß natürlich, dass es nicht die drei aus meinen Texten waren. Sie hätten es aber sein können. Theoretisch. Allerdings hätte dies, so sie es denn gewesen wären, eine faszinierende und vielleicht sogar wünschenswerte Fluoreszenz der Welt zur Folge. Nun ja, es gilt damit zu leben, einige Fragen unbeantwortet zu lassen. Alles in Allem jedoch ein recht kreativer Einfall den mir mein herumstreunendes Unterbewusstsein in diesem Moment vorlegte. Ideen sind ja ohnehin der Goldstaub unserer Tage. Die Bernsteine im Sandsturm der Ansichten. Sie werden dringend gebraucht für außergewöhnliche Manöver. Einen Nobelpreis für Meinungen gibt es zu Recht nicht. (ts)