Einer wird gewinnen

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es nur vier Fernsehprogramme gab. DDR1, DDR2, ARD und ZDF. Die ARD startete nachmittags um drei mit einer Tagesschau und es gab einen Sendeschluss. Ansagerinnen und Ansager nahmen die Zuschauer an die Hand. Bevor Filme gezeigt wurden, erhielt man eine kleine Einführung in das zu erwartende Geschehen. So wie beim Opernbesuch. Kommt man rechtzeitig, gibt es im Foyer Interessantes zu Erlauschen. Aber zurück zum Fernsehen. Ich habe festgestellt, dass es einen Heidenspaß macht, Fernsehsendungen aus den Sechzigern und Siebzigern nochmal anzusehen. Insbesondere die Quizsendungen haben es mir angetan. Statt eine der aktuellen, viel zu reißerischen, viel zu grellen Sonnabendabendshows mit ihren angeberischen Protagonisten zu durchleiden, schaue ich mir „Einer wird gewinnen“ aus dem Jahre 1969 an. Ein keck auf der Bühne herumscharwenzelnder Hans-Joachim Kulenkampff, eine Bigband im Hintergrund, adrette Assistentinnen, die über das heutzutage akzeptierte Maß hinaus hofiert werden und Quizfragen, die die heutige Generation niemals beantworten könnte. Ein Beispiel. An einer eigens aufgebauten und von Bühnenarbeitern, die erfolglos versuchen nicht ins Bild zu geraten, hereingerollten Kulisse hängen Exemplare der europäischen Briefkästen. Die Kandidaten sollen nun die Briefkästen den entsprechenden Ländern zuordnen. Köstlich! Ein Ausschnitt einer Operette wird Live gespielt. Es gilt herauszufinden was falsch ist, also nicht in die Operette gehört. Die richtigen Antworten sind für Menschen des Internetzeitalters unverständlich. Es fühlt sich nämlich alles falsch an. Ein Telefon mit Wählscheibe? Ein Rokokokleid? Wie hieß Mona Lisa mit bürgerlichem Namen? Sowohl die spanische Lehrerin als auch der belgische Landarzt antwortet wie aus der Pistole geschossen. Damals Allgemeinwissen, heute bei Bedarf im Internet ermittelt. Großartig! Die Idee, mit Menschen aus ganz Europa zu spielen ist bravourös. Kulenkampff beim missglückten Smalltalk mit einem Schweizer Versicherungsvertreter. Kulenkampff versucht die Quizfragen einer italienischen Bankangestellten zu erklären. Charmant und hilflos zugleich. Die Kameraschwenks ins Publikum sind kaum auszuhalten. Alle Männer mit Hipsterbrillen und in dunklen Anzügen. Alle Frauen in gräßlichen Kleidern oder Blusen und mit albernen Frisuren. Ich fühle mich göttlich unterhalten und bin für das, was die Fernsehunterhaltung heute zu bieten hat, ein weiteres Mal verloren. (ts)