Grüße

Oft gerate ich in Situationen, in denen blitzschnell entschieden werden muss, welche Grußformel Anwendung finden soll. Grußeröffnung und Grußerwiderung sind da zwei sehr unterschiedliche Themengebiete. Nehmen wir die Grußeröffnung. Grußerwiderung ist ja eigentlich nicht so spannend. Hier kann man zwischen Spiegeln des Grußes: „Moin!“ – „Moin!“, einer Variation: „Moin!“ – „Moin,Moin!“, und einem Bruch: „Moin!“ – „Hallo!“ wählen. Generell wird man aber ein ähnliches Niveau an Vertraulichkeit suchen. Ein „Guten Tag!“ wird selten mit einem „Hallo Süßer!“ retourniert. Aber die Grußeröffnung, die hat es in sich. Grüßt man überhaupt? Wenn ja in welcher Intensität? Nicht immer funktioniert der Beste aller möglichen Grüße, das „Na Du?“. Ein mit einem Lächeln dahingeschlenztes „Na Du?“ ist soo schön. „Na Du?“ sagt man nicht zum Vorsitzenden des NATO Sicherheitsrats. Ein(e) geschätzte(r) Kolleg[e(in)] aber kann schonn (dieses absichtlich mit kurzem „O“ gesprochene schon) durch diesen Gruß geadelt werden. Und man muss auf „Na Du?“ nicht mal antworten, ein Grinsen genügt. Man versteht sich. Häufig passieren in der Grußwelt aber auch Dinge, die zu Verunsicherung führen. Wie reagieren, wenn völlig unbekannte Menschen plötzlich freundlich grüßen? Ich grüße dann meist einfach freundlich zurück, absolut ahnungslos wer wohl diese Person gewesen sein mag. Meine Vermutung, ich sehe einer berühmten Person ähnlich. Das würde auf alle Fälle die hohe Frequenz erklären, mit der ich in diese Situation rutsche. Nicht weniger problematisch wenn beide Grußparteien denken ein bekanntes Gesicht erspäht zu haben. Ratlose Blicke treffen sich. Man zögert. Bleibt kurz stehen. Kennt man das Gegenüber von einer Party? Aus dem Kindergarten? Oh nein, es war eine Ex-Kollegin, die man nicht mochte. Tschüß! In der Mitte dieses Textes eine Variante aus der Grußhemisphäre, die recht neu für mich ist. Beim Laufen durch den Park passiert es, dass man den selben Menschen immer wieder begegnet. Hier scheint es eine gewisse Hürde für den ersten Gruß zu geben. Man erkennt sich zwar, mehr aber auch nicht. Die Anzahl der Begegnungen die erreicht werden muss, bevor der erste Gruß erschallt, schwankt. Irgendwann ist das Maß voll und ich rufe „Hallo!“ beim aneinander Vorbeilaufen. Bisher wurde meine Initiative noch immer wohlwollend aufgenommen. In Lächeln gehüllte Hallos eilten an mir vorbei. Ist der Bann erstmal gebrochen, besteht fortan eine feste Grußliaison. Kurz vor Schluss noch eine Erfahrung die ich bezüglich des Grüßens mit nur Wenigen teile. Die Begrüßungsrituale unter Triebfahrzeugführern. Ich bin in meiner Jugend als Straßenbahnfahrer tätig gewesen. Das Schild, das kurz vor die Frontscheibe in eine Halterung gesteckt wird und mich den zukünftigen Fahrgästen vorstellte, ist nach wie vor in meinem Besitz. Während eines Dienstes fährt man gewiss acht Runden einer mittellangen Strecke. Natürlich trifft man die Kollegen dann auch bis zu sechzehnmal. Das Faszinierende, jedes Mal wird gegrüßt. Jedesmal! Selbst komplizierte Verkehrssituationen halten die Schienenfahrzeuglenker nicht davon ab, kurz die vorbeifahrenden Kollegen zu grüßen. Diese hohe Anzahl an Grußvorkommnissen führt dazu, dass jeder Fahrer einen persönlichen Grußstil entwickelt. Einfach wunderbar. Von Pioniergruß bis militärisch, von auf das Gegenüber gerichtetem Zeigefinger bis zum gespielt beeindrucktem Blick. Diese Diversität hat meine Tage damals erheblich verschönert. Verabschieden möchte ich mich mit einer Art des Grüßens, die beim kleinen Maulwurf und allen anderen Tschechen sehr beliebt ist. Ziemlich humorvoll für ein Land ohne Zugang zum Meer. Ahoi! (ts)