Ein Hoch auf das Sprudeln

Eine der größten Errungenschaften der Nuller Jahre ist aus meiner Sicht das Mineralwasser, dem nur zurückhaltend CO2 versetzt wird. Den Ursprung dieses Geistesblitzes auf dem Getränkesektor vermute ich in einem Produktionsfehler. Die meisten genialen Erfindungen sind schließlich zufällig erfunden worden. Johann Friedrich Böttger mit seinem Meissner Porzellan könnte sicher ein Lied davon singen. Auch die sogenannten sanften Wasser, wie einige Hersteller sie nennen, entsprangen höchstwahrscheinlich einer Unachtsamkeit. Die Maschinerie, die dem Wasser den Sprudel hinzufügen sollte, wurde mutmaßlich mit einer schadhaften Kohlendioxidpatrone in Betrieb genommen und heraus kam eine Tranche kühlen Nasses, die nicht ordentlich blubberte, sondern eben nur ein kleines bisschen. Die Verkostenden erst entsetzt ob der Fehlabfüllung, dann entzückt. Herbeigerufene Mitglieder des Managementstabs öffnen ein paar Flaschen und brechen in Jubel aus. Rasch werden noch Verträge mit den Anwesenden ausgestaltet, die zum Schweigen verpflichten. Dann beginnt die Zeitenwende. Der Siegeszug von Mineralwasser mit einem Maß an Kohlensäure, das es ermöglicht eine Flasche in einem Ruck herunterzugurgeln ohne gegen immer stärker werdenden Schmerz beim Schlucken ankämpfen zu müssen, beginnt. Die bisherige Alternative war Wasser ohne. Stilles Mineralwasser ist aber genauso öde wie deutsche Filmkomödien. Hier stimmt mal das Klischee. Humor haben die Deutschen nicht. Meine Theorie dazu. Die Büttel des Dritten Reiches haben alle, die auch nur einen Anflug von Witz zeigten, vertrieben oder ermordet. Die deutschen Komödianten wanderten aus. Nach Amerika und England. Dort gründeten sie Humoristendynastien. Übrig blieb der berüchtigte Zehn-Gegen-Einen-Humor. Zurück zum Wasser. Ich kann mich nicht erinnern jemals stilles Wasser im Restaurant bestellt zu haben. Unangenehm die Situation wenn man beim ersten Date am Tisch sitzt, der Kellner kommt, Wasser bestellt wird und auf die Frage, mit oder ohne Gas, höflich die Antwort des Gegenübers abwartet. Eigentlich sollte ich gleich wieder gehen, wenn die Dame stilles Wasser bevorzugt. Unmöglich, dass mir hier eine Person von Format begegnet ist. Für mich sind die Vorboten des Jüngsten Gerichts nicht die vier apokalyptischen Reiter, sondern Menschen, die mit einem Sechserpack Mineralwasser naturell in Plastikflaschen vor mir her laufen oder die Ankündigung deutscher Comedians in einer Mehrzweckhalle auftreten zu wollen. Dann suche ich ängstlich den Himmel ab. Regnet es gleich Pech und Schwefel? Ist das dahinten eine ganz normale Wolke, oder doch ein Heuschreckenschwarm im Anflug? Nach solch einer unheimlichen Begegnung bin ich besonders froh wieder zu Hause zu sein. Hastig drehe ich eine Flasche Spreequell Medium auf und nehme einen ordentlichen Schluck. Nochmal Glück gehabt. Die Zeichen falsch gedeutet. Vorerst kein Weltuntergang. (ts)